Vivi felice
2022 erhielt Gambelin das Ensemblestipendium des Deutschen Musikrats im Rahmen der Förderung „Neustart Kultur“. Durch dieses Stipendium konnte Gambelin vier Kompositionen bei renommierten zeitgenössischen Komponisten in Auftrag geben. Alle Kompositionen des neu entstandenen Konzertprogramms setzen sich auf ihre jeweils ganz eigene Weise mit Barockmusik auseinander und beleuchten diese aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Moderne.
Guido Umberto Sacco (*1981)
„Vivi felice“ (2023)
Für Bassklarinette und Viola da Gamba
Der Titel („Lebe glücklich“) ist ein Zitat Domenico Scarlattis‘ aus seinem Vorwort zu den „Essercizi per Gravicembalo“, einer Sammlung von 30 Sonaten, der an den „Dilettante“ oder „Professore“ gerichtet ist. Die Komposition „Vivi felice“ ist als Triptychon konzipiert, wobei im ersten und zweiten Teil melodische Elemente der Sonate K. 322 von Domenico Scarlatti in einem impressionistischen Stil, quasi wie in einem Traum, neu miteinander kombiniert und verarbeitet werden. Aus diesen beiden Teilen „schält“ sich im dritten Teil auf kunstvolle Weise die Transkription der Originalkomposition von Scarlatti heraus.
Der italienische Komponist und Pianist Guido Umberto Sacco studierte an den Konservatorien in Brescia und Mailand und besuchte die Sommerseminare des Berklee College of Music in Boston. Seine Kompositionen zeichnen sich durch ihre klassische Formensprache und die Verbindung verschiedenster Einflüsse aus Impressionismus, Jazz bis hin zum Progressive Rock aus. Wie kein zweiter ist er durch die langjährige Zusammenarbeit mit Lucile Boulanger mit der Viola da Gamba vertraut und hat für dieses Instrument bereits ein umfangreiches neues Repertoire geschaffen.
Avner Dorman (*1975)
„Rhapsody on Diwan Songs“ (2023)
Das Stück basiert auf traditionellen jemenitischen jüdischen Liedern und rhythmischen Elementen aus den Traditionen der jüdischen Gemeinden des Nahen Ostens und Zentralasiens. Vielen Hörern ist der berührende Klang der Bassklarinette und ihrer Fähigkeit, zu Singen, zu Weinen und sich überschwänglich zu freuen, aus der Klezmermusik vertraut. Gerade dieser Klang gibt dem Werk, das auf harmonische, formale und kontrapunktische Elemente der europäischen Musik vom späten Mittelalter bis zur Barockzeit Bezug nimmt, seinen unverwechselbaren, jüdisch gefärbten Charakter.
Der in Israel geborene und in den Vereinigten Staaten lebende Avner Dorman greift beim Komponieren auf eine Vielzahl kultureller und historischer Einflüsse zurück, was zu einer Musik führt, die emotional berührt und gleichzeitig neue Gebiete erkundet. Seine Werke verwenden ein komplexes rhythmisches Vokabular sowie einzigartige Klangfarben.
Zubin Mehta, Ricardo Chailly, Andris Nelsons, Pinchas Zukerman, Gil Shaham, Martin Grubinger und Hilary Hahn gehören zu den Musikern, die sich für seine Musik eingesetzt haben. Viele seiner Kompositionen, wie das Schlagzeugkonzert „Frozen in time“, sind zu festen Bestandteilen des zeitgenössischen Repertoires geworden.
Krishna Nagaraja (*1975)
„Subsonance“ (2023)
Die Komposition nimmt mit ihren drei Sätzen „Praeludium“, „Contrapunctus“ und „Passacalia“ Bezug auf die Formensprache der Barockmusik.
Aus den drei Teilen mit der Satzfolge langsam-schnell-langsam ist besonders der in seiner Virtuosität atemberaubende zweite Satz hervorzuheben mit seinen polyrhythmischen Überlagerungen, in dem Krishna Nagaraja auch seine eigenen musikalischen Wurzeln – sein Vater ist Inder – musikalisch verarbeitet.
Geiger, Bratschist, Komponist, Arrangeur, früher auch Sänger und Beatboxer – der in Helsinki lebende Italo-Inder Krishna Nagaraja hat sich der Musik schon immer aus vielen verschiedenen Richtungen genähert.
Sein musikalischer Kosmos zeichnet sich durch die Interaktion zwischen Genres und Stilen aus: So verbindet er Elemente aus der nordischen Folkmusic in originellen Arrangements und Kompositionen mit barocker und zeitgenössischer Musik. Daraus entstanden Projekte wie Biviola, ein Bratschen-Duo, das seine Bearbeitungen nordischer Volksweisen aufführt, und sein Ensemble Brú, eine kaleidoskopische internationale Gruppe, die Nagaraja’s Musik bei vielen namhaften europäischen Festivals (MA Alte Musik Brügge, Filharmonia Warszawa, MiTo Settembre Musica, East Cork Early Music Festival, Cafe Barock Finnland) aufgeführt hat.
Guido Umberto Sacco (*1981) „I colori di un altrove“ (2022)
Die „Farben eines Anderswo“ wurden im Juli 2023 im Rahmen der Gezeitenkonzerte von Gambelin uraufgeführt.