Vivi felice

Seit Gründung des Ensembles 2015 war es die Idee von Gambelin, ein Repertoire neuer Kompositionen zu schaffen, die entweder von der Alten Musik inspiriert sind oder sich ganz explizit auf einzelne Werke des Barock bzw. der Renaissance beziehen. Im Laufe der Gründung des Ensembles entstanden mehrere Kompositionen von Christian Elin wie „L’incantesimo del profumo di legno“, das sich auf die Harmonik Monteverdi’s bezieht oder „Recercada primeira“ in Anlehnung an die berühmten „Recercade“ des Renaissancekomponisten und – gambisten Diego Ortiz. 2022 erhielt Gambelin das Ensemblestipendium des Deutschen Musikrats und konnte dadurch mehrere Kompositionen bei renommierten zeitgenössischen Komponisten in Auftrag geben, die sich alle auf ihre ganz eigene Weise mit Barockmusik auseinandersetzen und diese aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Moderne beleuchten. Daraus entstand das Programm mit dem Titel „vivi felice“ („lebe glücklich“) – einem Zitat Domenico Scarlattis’ aus dessen Vorwort zu seinen „Essercizi per Gravicembalo“. Gambelin führt damit seine kreative Arbeit in der Zusammenführung zweier Epochen fort und feiert auf musikalisch gebührende Weise sein 10-jähriges Jubiläum im Jahr 2025.

Guido Umberto Sacco (*1981)
„Vivi felice“ (2023)

Für Bassklarinette und Viola da Gamba

Der Titel („Lebe glücklich“) ist ein Zitat Domenico Scarlattis‘ aus seinem Vorwort zu den „Essercizi per Gravicembalo“, einer Sammlung von 30 Sonaten, der an den „Dilettante“ oder „Professore“ gerichtet ist. Die Komposition „Vivi felice“ ist als Triptychon konzipiert, wobei im ersten und zweiten Teil melodische Elemente der Sonate K. 322 von Domenico Scarlatti in einem impressionistischen Stil, quasi wie in einem Traum, neu miteinander kombiniert und verarbeitet werden. Aus diesen beiden Teilen „schält“ sich im dritten Teil auf kunstvolle Weise die Transkription der Originalkomposition von Scarlatti heraus.

Der italienische Komponist und Pianist Guido Umberto Sacco studierte an den Konservatorien in Brescia und Mailand und besuchte die Sommerseminare des Berklee College of Music in Boston. Seine Kompositionen zeichnen sich durch ihre klassische Formensprache und die Verbindung verschiedenster Einflüsse aus Impressionismus, Jazz bis hin zum Progressive Rock aus. Wie kein zweiter ist er durch die langjährige Zusammenarbeit mit Lucile Boulanger mit der Viola da Gamba vertraut und hat für dieses Instrument bereits ein umfangreiches neues Repertoire geschaffen.

Guido Umberto Sacco (*1981)
„I colori di un altrove“ (2022)

Für Bassklarinette und Viola da Gamba

Die „Farben eines Anderswo“ wurden im Juli 2023 im Rahmen der Gezeitenkonzerte von Gambelin uraufgeführt. Hier ist der Mitschnitt der Uraufführung zu hören:

Christian Elin (*1976)
„insieme“ (2021)

Für Altquerflöte und Viola da Gamba

Die Komposition erblickte im Sommer 2021 das Licht der Welt. Christian Elin widmete das Werk im Stile einer Jazz-Ballade seiner Partnerin Anna. 2023 entstand ein Trio-Arrangement der Komposition für Jazzklavier, Altquerflöte und Viola da Gamba von Maruan Sakas. Diese Version von „insieme“ wurde erstmals bei den Höri Musiktagen im August 2023 aufgeführt.

Avner Dorman (*1975)
„Rhapsody on Diwan Songs“ (2023)

Für Bassklarinette und Viola da Gamba

Das Stück basiert auf traditionellen jemenitischen jüdischen Liedern und rhythmischen Elementen aus den Traditionen der jüdischen Gemeinden des Nahen Ostens und Zentralasiens. Vielen Hörern ist der berührende Klang der Bassklarinette und ihrer Fähigkeit, zu Singen, zu Weinen und sich überschwänglich zu freuen, aus der Klezmermusik vertraut. Gerade dieser Klang gibt dem Werk, das auf harmonische, formale und kontrapunktische Elemente der europäischen Musik vom späten Mittelalter bis zur Barockzeit Bezug nimmt, seinen unverwechselbaren, jüdisch gefärbten Charakter.

Der in Israel geborene und in den Vereinigten Staaten lebende Avner Dorman greift beim Komponieren auf eine Vielzahl kultureller und historischer Einflüsse zurück, was zu einer Musik führt, die emotional berührt und gleichzeitig neue Gebiete erkundet. Seine Werke verwenden ein komplexes rhythmisches Vokabular sowie einzigartige Klangfarben.
Zubin Mehta, Ricardo Chailly, Andris Nelsons, Pinchas Zukerman, Gil Shaham, Martin Grubinger und Hilary Hahn gehören zu den Musikern, die sich für seine Musik eingesetzt haben. Viele seiner Kompositionen, wie das Schlagzeugkonzert „Frozen in time“, sind zu festen Bestandteilen des zeitgenössischen Repertoires geworden.

Krishna Nagaraja (*1975)
„Subsonance“ (2023)

Für Bassklarinette und Viola da Gamba

Die Komposition nimmt mit ihren drei Sätzen „Praeludium“, „Contrapunctus“ und „Passacalia“ Bezug auf die Formensprache der Barockmusik.
Aus den drei Teilen mit der Satzfolge langsam-schnell-langsam ist besonders der in seiner Virtuosität atemberaubende zweite Satz hervorzuheben mit seinen polyrhythmischen Überlagerungen, in dem Krishna Nagaraja auch seine eigenen musikalischen Wurzeln – sein Vater ist Inder – musikalisch verarbeitet.

Geiger, Bratschist, Komponist, Arrangeur, früher auch Sänger und Beatboxer – der in Helsinki lebende Italo-Inder Krishna Nagaraja hat sich der Musik schon immer aus vielen verschiedenen Richtungen genähert. Sein musikalischer Kosmos zeichnet sich durch die Interaktion zwischen Genres und Stilen aus: So verbindet er Elemente aus der nordischen Folkmusic in originellen Arrangements und Kompositionen mit barocker und zeitgenössischer Musik. Daraus entstanden Projekte wie Biviola, ein Bratschen-Duo, das seine Bearbeitungen nordischer Volksweisen aufführt, und sein Ensemble Brú, eine kaleidoskopische internationale Gruppe, die Nagaraja’s Musik bei vielen namhaften europäischen Festivals (MA Alte Musik Brügge, Filharmonia Warszawa, MiTo Settembre Musica, East Cork Early Music Festival, Cafe Barock Finnland) aufgeführt hat.

Claudio Bonometti
„After Michelle“ (2023)

Für Altquerflöte und Viola da Gamba

Die Komposition nimmt Bezug auf den Klassiker der Beatles aus dem Jahr 1965.

Bonometti lässt das Anfangsmotiv des Originals in seinem Stück immer wieder zart durchscheinen, auch wenn dieses, durch seinen Charakter einer rhapsodischen Nocturne, gänzlich andere Assoziationen beim Hörer auslöst als das französisch angehauchte Liebeslied aus der Feder von Paul McCartney.

Claudio Bonometti hat für Klavier, Chor, Kammer- und Orchesterensembles komponiert; seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen bei Kompositionswettbewerben bedacht (u.a. Zweiter Preis beim Internationalen Komponistenforum und Wettbewerb „Bruno Maderna“, Erster Preis beim Internationalen Wettbewerb für geistliche Musik „David Maria Turoldo“).

Er ist Dozent an der Scuola Diocesana di Musica „Santa Cecilia“ in Brescia.

Christian Elin (*1976)
„Recercada primeira “ (2016)

Für Altquerflöte und Viola da Gamba

Die Komposition nimmt Bezug auf die berühmten „Recercade“ („Forschungen“) des spanischen Gambenvirtuosen Diego Ortiz (1510-1570), der 1553 in Rom seinen berühmten „Trattado de glosas“ über die Praxis der Improvisation zur Zeit der italienischen Renaissance herausgab. Dem Vorbild Ortiz’ folgend, ist auch die „Recercada primeira“ auf einem 2 mal 8-taktigen harmonischen „Ground“ aufgebaut, über den ausnotierte Improvisationen musiziert werden. Um das Werk vom berühmten Vorbild, der „Recercada primera“ zu unterscheiden, wählte Christian Elin die portugiesische Schreibweise „primeira“.